Reisetagebuch

Grenzwechsel

Wir sind zurueck im Land der lauten Menschen. Der Unterschied, den wir erleben koennte nach Japan nicht groesser sein. Nara Aus dem Land, in dem Hoeflichkeit wichtigstes Gebot ist tauchen wir nun wieder in den chinesischen Menschenpulk aus draengelnden, rempelnden und ruecksichtslosen Menschen ein. China hat uns wieder. Und wir fahren wieder unsere Ellenbogen aus, um eine Chance zu haben zum Fahrkarenschalter zu gelangen, in ein Taxi einzusteigen und vor allem aus der U-Bahn auszusteigen. Denn hier gilt die Devise der Schnellere und Staerkere gewinnt. Sicher es gibt auch Chinesen, die aufmerksamen und hoeflich sind. In einem ueberfuellten Bus machte mich ein Chinese wiederholt auf jeden freiwerdenden Sitzplatz aufmerksam. Da ich immer ablehnte, bot er mir schliesslich seinen Platz an. Ein Anderer liess nicht davon abbringen mir seinen Platz in der ersten Reihe an der singenden Fontaene zu ueberlassen.

Shanghai - 31. August -10.September 2008

Wir nehmen und eineinhalb Wochen Auszeit, die wir uns nach gut zwei spannenden und anstrengenden Monaten redlich EssenShanghai verdient haben. Denn wir sind muede und urlaubsreif. Wir quartieren uns bei Ute und Marco ein, die drei Jahre in Shanghai verbringen und lassen es uns gemeinsam bei kurzen Ausfluegen, intensivem Ausschlafen, Tatortabenden, viel Tsingtao und leckerem Essen gut gehen. Nebenbei bekommen wir auch noch eine exklusive Einfuehrung in die chinesische Staatsbahn, als wir in zwei Anlaeufen die nahegelegene Gartenstadt Suchuo besuchen. Wir geniessen es nach neun Wochen in der Fremde vertraute Gesichter zu sehen und bei Freunden in eine richtige Wohnung einfallen zu koennen.

Xi'an - 11.- 16. September 2008

Wir treffen mit dem Nachtzug in Xi'an ein. Trotz weichem Bett in einem Viererabteil war die Nacht sehr unruhig, da die beiden anderen Betten von einem schnarchenden Chinesen und einer Frau mit schreiendem Baby belegt waren. Keine guten Voraussetzungen um ein- und durchzuschlafen. Aus Shanghai kommend erscheint uns Xi'an mit seinen 4 Millionen Einwohnern als ruhiger Ort. Wir erwarten am Bahnhof Horden von Chinesen, wie es bisher an jedem Bahnhof Chinas der Fall war, aber es ist ruhig. Wir waren uns ob der verdaechtigen Stille sogar nicht sicher, ob wir in der richtigen Stadt ausgestiegen sind. Xian Wasserspiele Die Stadt zeigt sich uns am ersten Tag mit Sonne und etwas blauem Himmel von ihrer besten Seite. Unser Hostel liegt zwar etwas vom Zentrum entfernt, aber in der Naehe vieler Parks, der Big Goose Pagoda und der "Singenden Fontaene", worunter man sich ein riesiges Becken mit Wasserspielen zu klassischer und chinesischer Musik vorstellen kann. Nach mehr als zwei Wochen ist uns zum ersten Mal wieder nach Sightseeing zumute und wir besichtigen in der Innenstadt den Bell- und Drumtower sowie das muslimische Viertel, das sich vor allem durch Unmengen an Souveniergeschaeften auszeichnet. Der Stadtkern ist von einer breiten Stadtmauer umgeben. Oeffneten sich frueher die Stadttore am Morgen wurden die Glocken des Belltowers gelaeutet, schlossen sie sich abends schlug man die Trommeln des Drumtowers. DasD schoene Wetter sollte nicht so bleiben, bereits am naechsten Tag war es sehr diesig. Die Luft und die Sicht wurden von Tag zu Tag schlechter, nach 2 Tagen konnten wir uns eine weitere Verschlechterung nicht mehr vorstellen, aber der Trend hielt an. So fahren wir am 5. Tag in dicker Nebelsuppe auf der Stadtmauer Tandem. Ein Riesenspass, doch nach zwei Stunden sind wir total erledigt und schieben die Schuld auf die Abgase.

Ausflug zur Terrakotta-Armee

Der Grund warum wir uebehaupt nach Xi'an gekommen sind ist die nahegelegene weltberuehmte Terrakottaarmee, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Eine Stunde braucht der oeffentlich Bus bis er das Gelaende der Terakottakrieger erreicht. Nachdem wir den stolzen Eintritt von umgerechnet 9 Euro gezahlt haben, koennen wir in die drei Hallen mit den Ausgrabungstaetten. Die Terrakottaarmee besteht aus mehreren Tausenden von lebengrosssen und individuell gestalteten Soldaten verschiedener Raenge, aus Pferden und Streitwagen. Diese bewachen das nahegelegene Grab des ersten Kaisers von China. Entdeckt wurden die Tonkrieger 1974 von Bauern beim Versuch einen Brunnen zu bohren. Von dieser gigantischen Masse an Kriegern ist in Xi'an wenig zu sehen, da der Grossteil der Armee noch gar nicht Terracottaausgegraben ist. Man kann in den Hallen am Rand der Gruben entlanglaufen und sich die Krieger von oben ansehen. Richtig nah kommt man jedoch nicht an die Figuren heran, es gibt ein paar Krieger, die in Austellungsvitrinen stehen, so dass man sich diese gut im Detail anschauen kann. Wir hatten im Voraus keine uebergrossen Erwartungen, da wir einige Leute trafen, die meinten die Terrakottearmee wuerde sich nicht allzusehr lohnen. Aber wir waren totzdem ein wenig enttaeuscht. Dennoch wollten wir uns zuerst einen metergrossen Krieger mitnehmen und nach Hause verschiffen lassen, aber die Verschiffungskosten waeren zu hoch gewesen, so dass wir uns mit einer etwa 40 cm hohen Figur begnuegen, die wir nach erfolgreichem Handeln zu einem Schnaeppchenpreis erstanden. Das gute Stueck nach Hause zu schicken war etwas schwieriger, da die Post unseren sicher eingepackten und gepolsterten Krieger nicht annehmen wollte, mit der Begruendung dieser koennte unterwegs kaputtgehen. Dass es Probleme bei der Post geben koennte hatten wir voher schon gehoert, konnten und wollten es aber nicht glauben. Die Mitarbeiterin schuettelte nur immer wieder den Kopf, und ich war schon ziemlich sauer, da es ja unser Risiko ist, wenn das Ding kaputt geht. Wir hatten wohl mehr Ausdauer als die Post, denn schliesslich haben sie das Paket doch noch angenommen, wahrscheinlich auch weil wir schon im Fokus des ganzen Postamtes standen. Glueck gehabt.

Ein Stueck Heimat in der Fremde

Gedankenverloren blaetterte ich in einem Prospekt unseres Hostels, und hatte die Seite schon umgeschlagen, als mir an dem Bild das ich grad mit einem Auge wahrgenommen habe etwas seltsam vorkam, also nochmal zurueckgeblaettert und Karlsruhe tatsaechlich in dem Hostelprospekt ist unter dem Punkt Verkehrsanbindung eine gelbe Strassenbahn abgebildet. Eine gelbe Karlsruher Strassenbahn, aufgenommen in der Kaiserstrasse, im Hintergrund das Schuhhaus Danger. Ich kann es nicht glauben, da sehen wir mitten in China in einem Hostel-Werbesprospekt ein Stueck Heimat. Die Hostelmitarbeiter haben keine Ahnung wo das Foto aufgenommen wurde und es ist ihnen sichtlich unangenehm als wir sie darueber aufklaeren. Eine Strassenbahn gibt es uebrigens gar nicht in Xi'an!

Chongqing - 16. September 2008

Wir verlassen Xi'an in der Hoffnung in Chongqing bessere Luft atmen zu koennen. Es war Leichtsinn, das zu hoffen. Wir kommen in der bislang dreckigsten Stadt Chinas an und sind erschlagen vom Schmutz, der Armut, dem Gestank und der Groesse der Stadt. Im gesamten administrativen Stadtgebiet leben 32 Millionen Menschen, und so reiht sich ein Hochhaus Moloch an das andere. Wir stellen mit Erschrecken fest, dass sich unser gebuchtes Hostel im 21. Stock in einem der aeltesten Hochhaeuser befindet und sind nach kurzem Verschnaufen diesmal erschlagen von Schmutz, Gestank und Leere dieser Untekunft. Wir wissen nicht ob die Luft drinnen oder draussen schlechter ist. Ich fuehle mich sowohl in der Stadt wie auch im Hostel verloren und bin am absoluten Tiefpunkt seit Reisebeginn angekommen. Dass ich letzte Nacht im Zug kaum geschlafen habe und voellig uebermuedet bin zehrt zusaetzlich an meinen Nerven. Zur Staerkung und um uns etwas zum Entspannen entscheiden wir erst mal etwas Leckeres essen gehen. Aber diese Stadt macht es einem nicht leicht. Aus allen Poren der Stadt dringt ein intensiver Gestank, der es uns unmoeglich macht an einem der vielen Essensstaende Starbucks etwas auszuprobieren. Wir fluechten uns in westliche Fast-Food und Cafeketten. Ein ausgesprochen gemuetliches Starbucks-Cafe mit Blick ueber den Yangtze-River hat uns schliesslich davor gerettet noch weiter in ein Loch fallen und wir verbringen einige Stunden dort bis zu unserer Weiterreise. Das fruehste fuer uns bezahlbare westliche Kreuzfahrtschiff, das den Yangtze-River stromabwaerts faehrt laeuft erst nach drei Tagen und zwei Naechten aus. Wir haben uns gegen die uns vielfach angebotene Backpacker-Tour auf einer chinesischen Faehre entschieden, die guenstig ist, aber ausser dem Transport nichts bietet. Obwohl wir ein Schiff im westlichen Stil mit Vollverpflegung gebucht haben bibbern wir dennoch und rechnen mit dem Schlimmsten. Die Mehrzahl der Boote, die wir aus dem 21. Stock unserer kargen Behausung mit Luxusausblick sehen koennen, macht keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Auch als uns ein "hoch motivierter" nicht englischsprechender Mitarbeiter des Hostels am Abreisetag zu den Piers Yangste begleitet sind wir alles andere als entspannt. Die Anspannung steigert sich als wir in einer Art Zahnradbahn von der Hochstrasse zu den Piers herunterfahren und ausschliesslich von Chinesen umringt sind, die tuetenweise Wasserflaschen und Essenvorraete mitschleppen. Unerwartet, aber gluecklicherweise werden wir bis zu unserem Schiff gebracht, dass wir alleine nicht so einfach gefunden haetten. Die vollgepackten Chinesen steuern alle ein anderes Schiff an - naemlich eine chinesische Faehre. Und wir betreten die mit dickem Teppichboden ausgestattete Eingangshalle des "Oriental Emperor".

Yangtse - Kreuzfahrt - 19.-22. September 2008

Zweieinhalb Tage Kreuzfahrt liegen vor uns. Der Yangtse nimmt uns mit zu den Drei-Schluchten und dann zum umstrittenen Staudamm. Und auch einen Teil des Drecks und des Gestankes nimmt er mit aus Chongqing, zumindest bekommen wir auch einige Kilometer hinter der Stadt noch immer nicht das Gefuehl, frische Luft zu atmen. Unsere Sorge auf einem unertraeglichen Schiff zu landen stellt sich als unbegruendet heraus. Wir sind zwar nicht auf einem Luxusliner YangtseSchiffAusblick gelandet, aber unsere Zweierkabine ist sauber und bequem. Offensichtlich ist die Kabine auch frisch gereinigt, da noch ein leichter Formaldehydgeruch in der Luft liegt. Wir machen noch einen kurzen Gang zur Schiffsbar, dort findet sich neben einem einsamen Karaokesaenger aber kaum ein Passagier, so dass wir frueh schlafen gehen. Am naechsten morgen werden wir von Chefguide Emma durch eine Lautsprecherdurchsage aus dem Schlaf gerissen. Es ist unmoeglich, diese zu ignorieren, da sie zunaechst auf chinesisch und dann auf englisch ertoent und insgesamt dreimal wiederholt wird. Nach zehn Minuten kehrt wieder Ruhe ein. Wir machen uns fertig und trotten langsam Richtung Essenssaal um festzustellen, dass wir alles andere als gut vorbereitet sind fuer das aufgebaute Fruehstuecksbuffet. Die anderen Passagiere sind bis auf eine Amerikanerin mit ihrer Tochter ausnahmslos Chinesen. Und so wie wir es schon von der U-Bahn kennen, umlagern sie auch das Buffet. In ein bis zwei Reihen umringen sie den Tisch, nach einer Umkreisung erachte ich es fuer sinnlos, weiter nach einem Anfang oder einem Ende zu suchen und kaempfe mich zum Tisch vor. Vor mir steht typisches chinesisches Fruehstueck: Warme Nudeln, Gemuese, etc. Generell bin ich neugierig auf das Essen anderer Laender, beim Fruehstueck allerdings suche ich kompromissloser nach mir vertrauten Zutaten. Am Ende des Tisches erspaehe ich YangtseSchiffFaehre Broetchen, also rausgekaempfen und an der richtigen Stelle wieder zuruckkaempfen. Zu meiner Freude stelle ich fest, dass an der Stelle mit den Broetchen auch die wenigsten Menschen stehen, die einem auch bereitwillig Platz machen, da sie kein Interesse an den Dingen haben, die ich ins Visier genommen habe. Ich fuelle meinen Teller mit kleinen Broetchen, Butter und Marmelade. Der frisch gebruehte Kaffee freut sich, dass er in mir endlich einen Abnehmer gefunden hat. Manja war ebenfalls erfolgreich und als wir an unseren Tisch Platz nehmen, an dem neben uns und den Amerikanern noch fuenf Chinesen sitzen, bemerken wir, dass uns die volle Aufmerksamkeit der anderen sicher ist, denn das, was wir gerade gluecklich als unser Fruehstueck in Haenden halten, ist fuer sie undenkbar zu verzehren, was durch ihre Gestik und ploetzlichen Gespraechsbedarf sehr deutlich wird. Auch die Menge erscheint ihnen doch recht wenig fuer ein Fruehstueck, das fuer den ganzen Tag staerken soll. Nachdem wir das europaeische Fundament gelegt haben, trauen wir uns noch an ein paar chinesische Delikatessen und gehen anschliessend gut gesaettigt auf unsere erste Tour zur Geisterstadt, von der die Chinesen glauben, dass nach dem Tod alle Seelen hier vorbei muessen, um ueber sie zu richten, ob sie gen Himmel oder gen Hoelle reisen. Sie liegt auf einem Huegel, und wir lehnen es dankend ab, den verrosteten Sessellift zu benutzen, auch die beiden Amerikaner scheinen bei seinem Anblick spontan den Fussweg zu bevorzugen. In der Stadt angekommen, koennen wir Bruecken ueberqueren um unser Schicksal zu beeinflussen oder durch YangtseSchiffGhostcity einen Gleichgewichtstest beweisen, dass wir eine gute Seele haben. Drumherum gibt es verschiedenste Statuen aus dem Goettergericht zu bestaunen. Nach knapp zwei Stunden sind wir zurueck auf dem Schiff. Das Mittagessen wird typisch chinesisch direkt am Tisch serviert. Die Bedienung stellt von frischem Yangtsefisch und verschiedenen Fleischgerichten ueber Gemuese bis hin zu Suppen alles auf den Drehteller, der ca. 80% des Tisches einnimmt. Nun nimmt sich jeder was er mag. Direkt. Mit den Staebchen. Der Fisch ist schnell zerfleddert, und ich sehe zu, dass ich die Scheu ueberwinde, mein Essen mit den Staebchen anderer Leute zu teilen. Wieder sind die Chinesen am Tisch sehr irritiert, wie vorsichtig und selektiv wir vorgehen. Schliesslich kann es die Chinesin direkt neben uns - vom Typ her wuerde ich sie als extrem rauh aber herzlich beschreiben - nicht mehr mit ansehen und fuellt eine grosse Portion Fleisch in meine Schale. Sie ist stets darum bemueht, dass wir keine Leckerei verpassen und man muss aufpassen, dass man nicht ploetzlich seine Schale voller unangenehmer Dinge hat. Sie informieren auch den Nachbartisch ueber unsere Art des Essens und die Aufmerksamkeit ist uns sicher. Fuer mich ist es ein emotionaler Schlingerkurs, dieses als respektlos oder als interessante Erfahrung des Kulturaustausches zu empfinden. Den Nachmittag verbringen wir auf dem Oberdeck, um uns die braune Suppe des Yangtse anzuschauen. Diese Farbe ist natuerlich, allerdings ist er trotzdem schwer belastet, wenn es auch nicht an die uebelsten Zeiten des Rheins heranreichen soll. Das Wetter ist wie so haeufig wieder sehr trueb, so dass das Ufer in Schleier gehuellt ist. Nach dem Abendessen, dass einen aehnlichen Verlauf wie das Mittagessen nimmt, nur dass man sich langsam an das drumherum gewoehnt, steht ein Unterhaltungsprogramm auf der Tagesordnung. Wir nehmen YangtseSchiffEssen Platz und bemerken, dass sich das Paar vor extra neben uns umsetzt, vermutlich weil sie neugierig sind. Dies ist einer der Momente, die ich als sehr angenehm empfinde, da in Deutschland vermutlich genau das Gegenteil passiert waere. Nachdem ich Emmas Versuche, mich zu einer Tanzeinlage zu bewegen, noch abwehren konnte, musste ich ihrem Draengen nachgeben, mich doch am Bierwetttrinken zu beteiligen. Ich darf zwei Passagiere auswaehlen, gegen die ich antreten moechte. Da hat der Mann des Paares, das sich neben uns gesetzt hat, schlechte Karten. Auch der einsame Karaokesaenger vom Vorabend wird ein Opfer dieses Verfahrens. Schnell habe ich die Haelfte meines Glases geleert, waehrend meine Kontrahenten noch mit den Strohhalmen zu kaempfen haben. Ich bemerke, dass es im Publikum kaum noch jemanden auf den Sitzen haelt. Ich muss lachen, und dies wird mein Verderben. Beide holen Millimeter fuer Millimeter auf und ich werde auf den letzten Zuegen noch ueberholt. Dieser Wettbewerb bedeutet fuer mich nicht nur ein wenig huebsches Andenken als Trostpreis, sondern bis zum Ende dieser Kreuzfahrt auch vielfaches Haendeschuetteln und Posieren fuer jede Kamera, die an Bord zu finden ist. Nach diesem unterhaltsamen Abend und dem gewohnten Fruehstuecksdraengeln am naechsten Morgen fahren wir dann durch die ersten zwei Schluchten des Yangtse. Natuerlich verfolgen wir dieses Ereignis gespannt am Oberdeck. Die Durchfahrt ist dann aber doch enttaeuschend unspektakular und das weiterhin truebe Wetter tut sein uebriges. Etwas anderes wird starker in meiner Erinnerung bleiben. Als wir zwischendurch eine frisch hochgezogene Plattenbausiedlung passieren, die die Landschaft aufs Uebelste verschandelt, entwickelt sich ploetzlich hektisches YangtseSchiffGhostcity Treiben. Fast jeder versucht, diese mit seiner Kamera festzuhalten. Ich bin entsetzt, dass das, was wir als Schandfleck empfinden, fuer die Chinesen ein Symbol des Fortschritts und der Moderne ist. Bei allen Hochhauesern, die wir in China kennengelernt haben, hatte sich zudem gezeigt, dass diese nicht fuer die Ewigkeit gemacht sind, da es keine nennenswerte Isolierung gibt und vielfach Gebaeude, die keine zehn Jahre alt sind, schon muffig riechen und vor sich hinrosten. Waehrend in meinem Freundeskreis in Deutschland gerade das erste Passivhaus bezogen wurde, ist es hier vielfach so, dass nach Abschalten der Klimaanlage in wenigen Minuten wieder die Aussentemperatur erreicht wird. Zurueck zur Kreuzfahrt. Am Nachmittag machen wir eine vierstuendige Exkursion in einen Seitenarm. Zunaechst wechseln wir in eine kleinere Faehre, um dann in ein Holzboot fuer ca. 16 Personen umzusteigen, dass von fuenf Einheimischen der dort wohnenden Minderheit durch die immer enger werdende Schlucht gerudert wird. Die Maenner haben offensichtlich kein Gramm Fett am Leib, sondern Muskulatur durch und durch. Sie treiben das vollbesetzte Boot gut eine Stunde durch die Schlucht und bekommen fuer ihren knochenharten Job gerade einmal ein paar Euro taeglich. Auch aeltere, gezeichnete YangtseSchiffSeitenarm Maenner sind dabei, was uns noch einmal verdeutlicht, wie sehr sie von dieser Taetigkeit abhaengig sind. Die Natur ist hier wunderschoen und es ist der schoenste Teil auf der Kreuzfahrt. Ein fader Beigeschmack bleibt, wenn man darueber nachdenkt, wie unfair das Geld hier auf engstem Raum verteilt wird. Nach der Rueckkehr zum Hauptschiff geht es weiter flussabwaerts. Es ist noch Verabschiedungsdinner des Kapitaens. Emma macht in ihrer Durchsage unmissverstaendlich klar, dass es unerwuenscht ist, ihm fernzubleiben. Das Dinner verlaeuft wie gewohnt, nur dass der von allen sehr bewunderte Kapitaen noch mit jedem Tisch einzeln anstoesst. Wir haben nach dem Dinner genug gesehen und verschwinden auf unser Zimmer. Am naechsten Morgen verlassen wir um neun Uhr das Schiff und fahren mit dem Bus zum letzten Punkt unserer Reise, dem umstrittenen Drei-Schluchtenn-Staudamm. Dass mehr als eine Million Menschen umgesiedelt werden mussten, wird wenig thematisiert. Ausserdem waere es ja gut fuer sie, denn sie wuerden ja mal "etwas Neues sehen und neue Chancen bekommen", wie wir auf dem Boot zu hoeren bekommen haben. Fakt ist wohl, dass der Plan eines Staudamms schon sehr alt ist, weil der Yangtse in diesem Bereich sehr gefaehrliche Stromschnellen hatte. YangtseSchiffSeitenarm Vieles was wir noch sehen konnten, wie zum Beispiel uralte Steinmalereien, werden demnaechst in den Fluten versinken. Andere Schoenheiten, wie eine sehr hohe Pagode, werden mit Hilfe einer unansehnlichen Betonmauer geschuetzt. Vieles ist vermutlich auch fuer uns schon in den braunen Fluten verschwunden. Direkt am Staudamm wurde ein Touristikzentrum hochgezogen. Bus reiht sich an Bus, um dieses weitere Symbol fuer Fortschritt und Wohlstand in Augenschein zu nehmen. Unsere Frustration erreicht an diesem kuehlen Propagandaort einen neuen Hoechststand. Wir wollen nur noch weg und die Veranstalter kommen uns sogar entgegen. Am ersten Ort muessen wir nach 30 Minuten zurueck in den Bus, am zweiten sogar nach nur zehn. Wir denken zurueck, an die schoene Natur des Seitenarms und die ungewisse Zukunft der Menschen dort ...

Zhangjiajie 23.-25. September

Diesmal fahren wir nicht mit dem Nachtzug, denn von Yichang nach Zhangjiajie sind es nur fuenf Stunden mit der Bahn. Und somit gibt es diesmal kein bequemes Vierbettabteil, sondern Plaetze in der Holzklasse, sprich "Hard-Seats". Die Fahrt ist dafuer auch fuer umgerechnet 2,40 Euro zu haben. Als wir einsteigen, bereue ich es schon keine Tickets fuer "Soft-Seats" gekauft zu haben. Mit uns im Abteil fahren 118 laute Chinesen auf Sitzplaetzen und noch einige ohne Sitzplaetze. Die Ablagefaecher sind zum Bersten voll und wir finden keinen Platz fuer unsere grossen Rucksaecke, die Zhangjiajie wir erst mal in den Gang gestellt haben. Dass die dort nicht bleiben koennen wird schnell klar, denn alle fuenf Minuten faehrt irgendein Verkaeufer mit seinem Wagen durch den Gang und kommt bei uns nicht weiter. Unter den Sitzbaenken ist noch genueg Strauraum, aber eigentlich moechte man in China seine Sachen ungern auf den Boden legen - stellen eigentlich auch nicht, aber das laesst sich bei den grossen Rucksaecken nicht vermeiden. Na gut, wir beissen in den sauren Apfel und schieben unsere schoenen Rucksaecke unter die Bank. Die Zugfahrt wird eng und heiss, aber erlebnisreich. Rechts neben dem Gang passen drei Leute auf eine Sitzbank, auf der anderen zwei. Am beliebtesten sind die Fensterplaetze, aber nicht wegen der Aussicht, sondern weil man dann direkt einen Tisch vor sich hat. Die meisten Chinesen mit Tisch schlafen nach kurzer Zeit, der Tisch dient dabei als Kopfkissen, die Fahrgaeste daneben schaffen es manchmal auch noch ihren Kopf mit abzulegen. Alle die nicht schlafen, essen. Die am Fenster sitzen, werfen ihre Abfaelle aus dem Zugfenster, bevorzugt Plastikverpackungen und Zigarettenkippen. Das man nicht rauchen darf, wird ignoriert. Alle Reste, die nicht aus Plastik bestehen, werden auf den Boden geworfen. So ziehen wir nach 5 Stunden unsere Rucksaecke aus Orangenschalen, Sonnenblumenkerne, Servietten und allerlei sonstigem Muell hervor, den die meisten mit ihren Fuessen noch unter die Baenke schoben.

In Zhangjiajie angekommen, werden wir von einem Fahrer unseres Hotel abgeholt, Zhangjiajie denn wir bleiben nicht in der Stadt , sondern fahren weiter ins Wulingyuan Naturreservat. Im Auto sitzt auch ein "Guide" der kein englisch spricht, uns allerlei verkaufen will, unter anderem eine Tour durch Naturreservat und sich uns als Guide anbietet. Ein aelteres chinesisches Ehepaar, das mit uns faehrt, kann englisch und uebersetzt fuer uns. Sehr amuesant fanden wir diese Aussage unseres Guides, die uns auch uebersetzt wurde: "Ihr koennt euren Guide alles fragen was ihr wollt". Nur verstehen wird er uns nicht. Dieser Guide ist wieder ein Beispiel fuer die chinesische Vetternwirtschaft. Da haben wir in Chongqing vor fuenf Tagen mit Unterstuetzung unseres Hostels, unsere weitere Reise geplant und seitdem taucht an allen Stationen jemand auf der versucht, sich uns als Guide anzubieten, Touren zu verkaufen, uns unsere Hotels madig zu machen damit wir noch auf ihn umbuchen.

In Zhongjiajie Village sind wir in einer wahren Absteige gelandet. Das Bad ist schimmelig und dreckig, das Zimmer schmuddelig und das Licht so daemmrig, damit man den Schmutz nicht erkennen kann. Sauber gemacht wird hier nicht, aber die Betten sind frisch bezogen. Auch auf diesen Boden will ich meinen Rucksack nicht legen und ins Bad geht man am besten auch nur, wenn es sich nicht vermeiden laesst. Unser Reisefuehrer aus dem Jahr 2008 empfiehlt dieses Hotel als "Best Value". Wir wollen uns nicht die Laune verderben lassen und brechen am naechsten Morgen frueh auf in den Nationalpark, der uns stolze 25 Euro Eintritt fuer zwei Tage pro Person kosten wird. Wir entfliehen Disney Land, das Zhangjiajie heisst, den chinesischen Reisegruppen, die sich vor jedem Stein mit Schriftzeichen, und einer goldenen Herz-Statue fotografieren lassen, die sicherlich Reichtum, Liebe oder ein langes Leben versprechen. Wir gehen den Berg zu Fuss hinauf, statt die Seilbahn zu nehmen und hoffen auf einen wunderbaren Ausblick. Aber Pustekuchen, oben angekommen stehen wir mal wieder im Nebel und sehen nichts. Leider scheinen wir eine Pechstraehne zu haben. In der zweiten und letzten Nacht in dem Schmuddelhotel geht es uns gar nicht gut, wir werden von Durchfall gequaelt. Das schmuddelige Bad macht es nicht einfacher und zu allem Ueberfluss gibt dann die Toilette den Geist auf und meldet Verstopfung. Zum Haendewaschen muss man jedesmal den Haupthahn betaetigen, denn die Leitung zum Wasserhahn hat ein Leck und ueberflutet schnell das Badezimmer. Der Hotelmitarbeiter loest uebrigens das Verstopfungsproblem, indem er mit seinem Wischmob im Klo rumstochert. Anschliessend stellt er uns das dreckige Ding noch zweimal im Bad ab und hinterlaesst beim Hinausgehen schoene Wasserspuren auf dem Teppich. Wir koennen nur mutmassen, ob dieser Wischmob auch zum Wischen der Kueche verwendet wird. Dann ahnen wir zumindest, wo unser Durchfall herkommt. Die zweite Verstopfung der Toilette folgt zugleich und wir weichen aufs Klo des Nachbarn aus. Am naechsten Tag sind wir fuer eine schoene Tour durch den Park viel zu kaputt und schlagen mehr schlecht als recht die Zeit bis zu unserer Abreise am Abend tot. Da wir immer wieder auf schoene Orte gehofft haben, diese aber nicht fanden, werden wir unsere Visa nicht verlaengern, sondern Ende September ausreisen. So fuehrt uns unsere weitere Reise nach Guangzhou, im Suedosten Chinas, von wo aus unser Flieger nach Bangkok gehen wird.

Kleine Strassenszene - 24. September 2008

Langsam rollte der Polizeiwagen heran. Es war ein kleiner, offener Wagen, wie man ihn auf Golfplaetzen findet, und war mit drei Mann besetzt. Der Polizist auf der Rueckbank zog sein Gewehr hervor. Er klappte es auf und lud es. Der Wagen stoppte. Der Mann stieg aus. Er legte an. Dann ein Knall. Der Hund winselte noch kurz bevor er fuer immer verstummte. Der Schuss hatte die Besitzer der umliegenden Restaurants auf die Strasse getrieben, neugierig verfolgten sie das Geschehen ...

Abschied - 29. September 2008

Wir konnten die Dinge hautnah erleben. Als wir beim Abendessen sassen, bekamen wir von einer jungen Mutter demonstriert, wie schoen ihr kleiner Wonneproppen Exit direkt neben unserem Tisch sein grossen Geschaeft erledigen kann. Wir konnten grosse Aufmerksamkeit bewundern. Nachdem der Mitarbeiter unseres Hostels mit seinem Wischmob unser Klo von seiner Verstopfung befreit hatte, wischte er gleich noch den dreckigen Boden. Wir haben die Gewissheit erlangt zu leben. Nach einer kurzen Fahrradtour mussten wir uns vor lauter Smog die Lunge raus husten. Wir haben uns gut auf die weitere Reise vorbereiten koennen. Wir kennen nun hartnaeckiges Geschaeftetreiben und Vetternwirtschaft. Wir erlebten Moderne. Oder vielmehr, was die Chinesen dafuer halten. Wir sahen schoene Orte. Die mit viel Aufwand in eine Haesslichkeit verwandelt wurden. Wir erlebten eine beeindruckende Akustik in Dolby Surround. Unuebertroffen durch einen Chor spuckender Menschen.
Wir haben auch furchtbar nette Leute getroffen, die immer wieder tiefe Dellen in unser muehsam entwickeltes Bild geschlagen haben, wofuer wir sehr dankbar sind.


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